Renaissance der Reitkunst / Akademische Reitkunst
Historie, Sinn
und Zweck heute, Philosophie
HISTORIE
Die Ursprünge der Renaissance der Reitkunst / Akademischen Reitkunst lassen sich bis
ins vierte Jahrhundert vor Christus zurückverfolgen. Wandgemälde
aus dieser Zeit belegen, dass die Pferde hier im Gebrauch (Kampfreiterei)
eingesetzt und einhändig Blank auf Kandare gezäumt wurden.
Es ist auch zu dieser Zeit, dass der griechische Feldherr Xenophon
erstmals Gedanken über die Reiterei zu Papier bringt. Er schreibt:
"Auf solchen Pferden (die Versammlung und Hankenbiegung beherrschen)
werden selbst Götter und Heroen reitend gemalt und die Männer,
welche gut mit Ihnen umzugehen wissen, sehen prächtig aus.
Mögen die Reiter aller Zeiten die Fähigkeit haben, prächtig
auszusehen."
Einer, der in Xenophons Augen mit Sicherheit prächtig ausgesehen
haben wird, ist der französische Renaissance-Reitmeister Antoine
Pluvinel. Mit ihm erreicht die Reitkunst im 16. Jahrhundert einen
Höhepunkt. Sein Werk „L' instruction du roy en l'exercice
de monter à cheval“, in dem er den König Ludwig
XIII in der Reiterei unterweist, besticht nicht nur durch seine
Klarheit und Schlichtheit, sondern vor allem durch seine pädagogischen
Erkenntnisse, die noch bis heute Gültigkeit haben.
Zur Zeit des Barock ziehen sich die Fürsten dann von den Schlachtfeldern
zurück. Was vorher Kampfreiterei war, wird nun ausschließlich
zur Kunst. François Robinchon de la Guérinière
ist der hervorragende Ausbilder dieser Epoche.
Eines ist allen Meistern in der Historie gemeinsam: Sie haben Ihre
Arbeit am Gebrauch orientiert und konnten damit sicher überprüfen,
welche Inhalte einer Ausbildung sinnvoll sind und die Gesundheit
des Pferdes erhalten. Dadurch wurde die Kunst nicht künstlich.
Gleichzeitig umfasste eine Ausbildung der Schulen auf der Erde sechs
bis acht Jahre. Das verdeutlicht, dass es um einen langen Einsatz
der Pferde im Gebrauch ging und darum besonders ihre Gesundheit
im Mittelpunkt stand.
Auch die heutige Zeit kennt noch Meister wie Don Álvaro
Domecq Díaz, Don Javier García Romero und Egon von
Neindorff, die die Traditionen der großen Ausbilder fortführen.
Von ihnen hat mein Lehrer Bent Branderup sein Wissen und seine Erfahrung
bezogen, die er in den letzten neun Jahren an mich weitergereicht
hat.
SINN UND ZWECK HEUTE
Heute haben wir das Glück, dass wir unsere Pferde in der
Freizeit halten. Sie sind unsere gleichwertigen Partner, mit denen
wir in erster Linie eine schöne Zeit verbringen wollen. Das
sollte uns aber nicht daran hindern, uns gedanklich mit ihrer adäquaten
Ausbildung zu befassen.
Unterschiedliche Rassen und unterschiedliche Temperamente machen
jedes Pferd und jedes Pony zu einem einzigartigen Charakter. Aber
dennoch ist ein Pferd immer ein Pferd, egal ob Warmblüter oder
Gangpferd. Die Physiologie ist grundsätzlich dieselbe, daher
brauchen alle Pferde eine ähnliche Gymnastizierung unter Berücksichtigung
ihrer Besonderheiten im Körperbau – je nach Rasse und
Veranlagung.
Die Renaissance der Reitkunst / Akademische Reitkunst gibt dem Pferd auf der Grundlage von
Losgelassenheit eine gesunderhaltende Form, die seiner Physiologie
entspricht.
Der Mensch, der das Pferd als Reitpferd einsetzen möchte,
muss ihm beibringen, die ihm auferlegte Last zu tragen. Dies ist
das Hauptziel der Renaissance der Reitkunst / Akademischen Reitkunst. Was zunächst wie
ein Handwerk beginnt, kann durch die fortwährende Schulung
des Gefühls des Reiters zur Kunstform werden.
Es bleibt dem klugen Reiter überlassen, die Grundlagen
ganz nach Bedarf mit Vorsicht und Einfühlungsvermögen
bei seinem Pferd anzuwenden ...bei bestimmten Dingen kann man keine
eindeutigen Regeln anwenden, weil Pferde nicht alle gleich sind!
Antoine Pluvinel
PHILOSOPHIE
Für mich besteht die Grundlage jeglicher Gymnastizierung
in der individuellen Physiologie des Pferdes und seinen jeweiligen
psychischen Präferenzen. Das heißt, es kann keine Reitlehre
geben, die eine einheitliche Linie verfolgt, ohne dabei Rücksicht
auf den Charakter und die mentale Ausprägung des einzelnen
Pferdes zu nehmen.
Allein die Routine des Reiters im Einsatz von Hand und
Schenkel, gepaart mit sehr gutem Einfühlungsvermögen in
das Pferd und langer Erfahrung in der Reitkunst sind es, die ihm
erlauben, zu gegebener Zeit auf tausend und aber-tausend Dinge zurückzugreifen,
die man nicht erklären oder niederschreiben kann, sondern die
sich nur aus der augenblicklichen Situation und Notwendigkeit ergeben.
Antoine Pluvinel
In meiner Ausbildung geht es mir um Mensch und Pferd als Einheit
aus Körper und Geist. Für mich haben Sie als Reiter in
Ihrer eigenen Fortbildung einen gleich großen Stellenwert
wie Ihr Pferd, denn schließlich ist es nicht nur der Mensch,
der das Pferd ausbildet, sondern auch das Pferd, das den Menschen
schult. Es bietet Ihnen die Gelegenheit, Basis- und Fernsinne wieder
zu entdecken, die in einer längst vergangenen Epoche einmal
selbstverständlich waren, aber in einer schnelllebigen Zeit
wie der unseren nur noch selten geschult werden.
Ich habe mein persönliches Lebensziel darin entdeckt, Menschen
und Pferde in der poetischen Kunstform der Renaissance der Reitkunst / Akademischen Reitkunst
auf der Grundlage eines intelligenten Handwerks zu begleiten. Wenn
Gedanken und Bewegungen von Mensch und Pferd verschmelzen, erreichen
wir die gemeinsame Meditation zweier Lebewesen. Wer sich Zeit für
sich, sein Pferd und seine Träume nimmt, wird das eines Tages
bestimmt erleben und fühlen.
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